Salvador Dalí (1904-1989) - Surrealismus
Beständigkeit der Erinnerung
Wer zum ersten Mal ein surrealistisches Bild von Salvador Dalí sieht, bekommt einen unvergesslichen Eindruck. Bis ins Detail gezeichnete und gemalte Gegenstände in einem traumhaft verwehten, unwirklichen Raum. Wie in einem Traum sind die Dinge verzerrt, befreit von zeit- und ortsgebundenen Formen und führen in eine symbolhafte Welt. "Beständigkeit der Erinnerung" heißt, dass Zeit und Raum vergehen und sich ändern, dass aber die Erinnerung bleibt! Erinnerung begleitet, fesselt, vielleicht auch belastet und bedrängt den Menschen, kämpft gegen das Vergessenwerden.
Salvador DalÍ, Beständigkeit der Erinnerung (1931, nur 24 mal 33 cm groß)
Für dieses Bildes ist der Titel „Die Beständigkeit der Erinnerung“ von Bedeutung.
Dali hatte nämlich einen Bruder, der schon vor der Geburt des Malers gestorben ist.
Dieser hieß auch Salvador Felipe und Dali hatte das Gefühl, dass er eine Art Ersatz war.
Er war immer auf der Flucht vor diesem Bruder und suchte nach seinem eigenen Ich.
Mit dem Titel will Dali vielleicht deutlich machen, das er sich immer daran erinnern wird,
dass seine Eltern ihm, seiner Meinung nach, vermittelt haben, der Ersatz zu sein.
Eine bekannte Kreationen von ihm sind die "weichen Uhren". Sie stehen für Vergänglichkeit, sie sollen eine Metapher für den dahinfließenden Zeitpfeil in eine unbekannte Zukunft darstellen. Uhren weich wie ein Spiegelei, wie ein Omelett in der Pfanne. Der Künstler erzählte selbst, wie es zu diesem Bild kam:
„Wir hatten zum Abschluss unseres Essens im Freien einen sehr starken Camembert bekommen, und nachdem alle gegangen waren, blieb ich noch lange am Tisch sitzen und dachte über die philosophischen Probleme des "Superweichen" nach, die der in der Sonne schmelzende Käse mir vor Augen führte. Ich stand auf, ging in mein Atelier und machte Licht, um noch einen letzten Blick auf das Bild zu werfen, das ich gerade in Arbeit hatte, so wie es meine Gewohnheit ist.
Dies Bild stellte eine Landschaft bei Prot-Lligat dar; die Felsen lagen in einem transparenten, melancholischen Dämmerlicht, und im Vordergrund stand ein Ölbaum mit abgeschnittenen Zweigen und ohne Blätter. Ich wusste, dass die Atmosphäre, die zu schaffen mir in dieser Landschaft gelungen war, als Hintergrund für eine Idee, für ein überraschendes Bild dienen sollte, aber ich wusste noch nicht im mindesten, was es sein würde.
Ich wollte schon das Licht ausknipsen, da sah ich plötzlich die Lösung. Ich sah zwei weiche Uhren, von denen die eine klärglich über dem Ast des Ölbaums hing. Obwohl meine Kopfschmerzen so stark geworden waren, dass sie mich sehr quälten, bereitete ich gierig meine Palette vor und machte mich an die Arbeit.
Als Gala (die Ehefrau des Künstlers - Anm.) zwei Stunden später aus dem Kino zurückkehrte, war das Bild - es sollte eines meiner berühmtesten werden - vollendet. Ich liess sie sich mit geschlossenen Augen davor hinsetzen und zählte: ´Eins, zwei, drei, mach die Augen auf!´ Ich blickte gespannt auf Galas Gesicht und sah darauf die unverkennbare Mischung aus Staunen und Hingerissenheit. Dies überzeugte mich von der Wirksamkeit meines neuen Bildes, denn Gala irrt nie, wenn es darum geht, die Echtheit eines Rätsel einzuschätzen."
Salvador Dalí verdient nicht, als Komiker und Außenseiter beiseite geschoben zu werden.
Seine Kunst braucht wie überhaupt der Surrealismus Gewöhnung, besser gesagt Kunstsinn.
Versuchung des Einsiedlers Antonius, Beständigkeit Erinnerung, Surrealismus,
Brennende Giraffe, weiche Uhren, Raum und Zeit, Dalí und Diktator Franco, Komiker und Außenseiter
Salvador Dalì -
Die Versuchung des hl. Antonius (1946)
Antonius kniet links, Kreuz und Totenkopf verhelfen ihm zum Heiligenschein und zum Sieger über die Prozession der Versuchungen. Kraftvolle Zeichnung eines Einzelkämpfers, aber doch recht eigenartig, wenigstens auf den ersten Blick.
Von hinten rechts nach vorne links kommen nun riesig hohe Tiere daher. Zuerst bäumt sich ein Pferd gefährlich auf, das Maul zähnefletschend offen und Dreck von den Hufen fließend. Das Wiehern verhallt im Bild. Und da kommen mehrere beladene Elefanten daher, wie fette Insekten auf überlängten Beinen mit unnatürlich vielen Gliedern. Der Maler baut dadurch eine Perspektive von unten nach oben auf.
Der erste Elefant bringt auf einer nach oben sich öffnenden Schale eine nackte provokante Frau daher, der zweite eine hohe Pyramide mit blauen Kugeln als Schmuck. Der dritte Elefant bringt zusammen mit einem nicht gut erkennbaren vierten Tier einen ganzen Tempel daher, mit einem nackten Frauenbauch in einer offenen Tür und anderen Statuen, auf dem Dachspitz ein Trompetenbläser wie ein Engel. Und schließlich kommt noch von ganz weit hinten ein Elefant, eher ruhig trägt er einen Turm (?) mit einer Tür unten und einem Fenster oben. Über den Wolken sind Häuser einer Stadt (vielleicht auch nur eine Festung, oder ein Kloster) angedeutet. Ganz oben im Bild kontrastieren dunkle Wolken mit dem unerschrockenen Antonius unten links.
Komposition und Aufbau des obigen Bildes von Dalí sind unglaublich überraschend und deuten auf eine präzis durchdachte Symbolik hin. Der Himmel nimmt die große Fläche des Bildes ein, die Waagrechte des Horizontes kontrastiert mit senkrechten Linien der Tiere. Mit Ausnahme des Pferdes und der dunklen Wolkenecken am Himmel sind es eher ruhige, helle und staunenswerte Farben und Figuren. Die Perspektive setzt sehr tief an und der Blick wird wie durch einen Weitwinkel nach oben gerichtet. Es bleibt der Eindruck, dass der Künstler mit Freude und Humor gemalt hat - obwohl es für Antonius um lebensbedrohliche Versuchung und Kampf mit den Dämonen geht.
Hieronymus Bosch (Bild nach 1500)Versuchung des Antonius und
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In Süddeutschland wenigstens ist der Heilige als "Fackl-Toni" bekannt, Antonius mit dem Schwein. Als Wundertäter wurde er angerufen beim "Antoniusfieber" (Vergiftung des Brotes durch den Mutterkornpilz im Korn; siehe Korngarbe im Baum des Bildes); dabei wurde zuweilen ein Schwein "geopfert". |
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Die Versuchung des Wüstenvaters Antonius gehört zu Trugbildern, traumhaft deutlich und eben auch traumhaft verschlüsselt als Symbole, so gefiel es dem großen Meister des Surrealismus. Vielleicht aber hat der Kritiker Dalí in diesen Trugbildern auch deutlich und schadenfroh gezeigt, dass es im Tempel und in der Kirche, in der Stadt und überall oft sehr dämonenhaft zugeht. Also ist die Botschaft: Ein jeder muss auf Erden kämpfen (die zwei winzigen Gestalten in der Wüste), um in den genauso winzig angedeuteten Himmel zu kommen - wie im Programm des Einsiedlers und ersten Mönches Antonius enthalten und durchgehalten.
Antonius starb 356 in Ägyptens Wüste im Alter von 105 Jahren, er sammelte die verstreuten Wohlstandsflüchtlinge und Einsiedler um sich und verfasste für sie eine feste Lebensregel. Antonius gilt bis heute als Abbas, als Papst und Vater der Mönche. Ich empfinde sein Bild, kraftvoll jeder Versuchung siegreich widerstehend, von Dalí mit Respekt gemalt, eben so wie ein Maler seiner Gattung ihn nur malen konnte.
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Wer übrigens etwa im Internet nach Bildern "Versuchung des hl. Antonius" sucht, wird staunen über die Vielfalt und Phantasie der Künstler vergangener Zeiten.
Gruseln und Horror, sexuelle Träume und Höllenangst haben sich als Malerei oft hinter dem Feigenblatt "Versuchung des armen Antonius" versteckt. Dies blieb so bis heute!
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