Henri Matisse - Der Tanz 



Matisse - Der Tanz Moskau
Henri Matisse, Der Tanz (1910 für Russland)
          

 


Bildbeschreibung Matisse

 

Ein Bild ohne Rahmen, riesig groß (260 mal 391 cm) und doch fast zu klein, um die wild Tanzenden beisammenzuhalten. Sie bleiben aber im Bild, nichts ist angeschnitten, es ist der Tanz, der alles bestimmt. Keine Details, keine Schatten - unabhängig von Raum, Geschichte und Zeit. Die klaren schwunghaften Linien bewirken Energie und bringen nacktes Leben zur Geltung. Die Nacktheit der Tänzerinnen im freien Raum unterstreicht die Freiheit und Urgewalt des kosmischen Tanzes.

Blau der Hintergrund, grün der Rasenhügel, ocker rot die Tanzenden - symbolische Farben. Tief blau ist der Himmel, grün die Erde, fleischfarben der Tanz. Ruhiges Blau im Hintergrund, unruhige Graslinie (gibt unter dem stampfenden Fuß nach), aggressives Rot vorne im Tanzkreis.


Die Tanzenden

Fünf nackte Frauen, doch es fehlt ihnen jede Individualität. Jede tanzt für sich und wird zugleich getragen und getrieben vom Zwang des Reigens. Plakativ, symbolhaft, ornamental wirken die Tänzerinnen bei ihrem Fruchtbarkeitstanz, einem archaischen Beschwörungsritus. Das Bild steht für den ewigen Kreislauf des Lebens.

Gegenüber einer ersten Skizze mit 6 Tanzenden fehlt eine in unserem Bild. An ihrer leeren Stelle spielt sich ein kleines Drama ab. Zwischen den zwei vorderen linken Tänzerinnen ist der Händedruck gebrochen, die rechte fällt nach vorne und die linke durchbricht den allgemeinen Rhythmus gewaltsam nach hinten - ob die beiden sich noch fassen können, ist dem Urteil des Betrachters überlassen. Dieser wird durch diesen Kunstgriff des Malers mitten in das Bild und in den Tanz hineingerissen.

Die Tanzenden bilden einen ovalen Kreis, fast ein (gebrochenes) Herz. Einerseits dreht sich der Kreis, andererseits stampfen die hinteren Figuren mit Kraft auf der Stelle, sie heben ruckhaft das Tanzbein und schleudern es dann zu Boden. Urgewalt der Natur, nichts konventionell Gelerntes. Es gibt keinen Augenkontakt, es ist kein Gesellschaftstanz. Gemeinschaft entsteht nur durch die Wucht der Bewegung und durch die aus dem Unterbewusstsein aufsteigende Macht der kosmischen Urgewalten.
 

Kraft und Balance

Trotz dem chaotischen und fast ausgelassenen Tanz bilden Instinkt und Bewusstsein im Bild eine ausgewogene Balance. Die Kräfte hinaus und jene zur Mitte stehen im Gleichgewicht. Das Bild ist expressiv und steht doch unter Kontrolle. Irgendwie erinnert das Bild an einen lebhaften Traum, vor allem wegen der schemenhaften Frauengestalten. Auf jeden Fall ist es wohl das bekannteste Bild von Matisse, und für ihn war es sicher eine Erlösung, als er das triebhafte Geschehen in Farbe und Form vollendet und gebannt vor sich hatte. Für die Öffentlichkeit war es eine Herausforderung, dem Sturm der Entrüstung folgte aber späte hohe Anerkennung.
 

Tanz dich frei

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