Gustav Klimt - der Kuss

       
  Entrückt und im Kuss versunken        


Gustav Klimt, Der Kuss -
Liebespaar (1908/09)


Ein Liebespaar im Kuss verschmolzen, ineinander versunken und in einer goldenen Aura entrückt, zugleich vereinigt und abgeschieden von der Umwelt: so sehen wir das großflächige Bild von Gustav Klimt (180 mal 180 cm). Es ist die goldene Zeit von Wien mit europäischer Ausstrahlung.

"Der Kuss" ist auch der Höhepunkt der "Goldenen Phase" des bekannten Malers von raffinierten Frauenbildnissen und faszinierenden Landschaftsbildern Österreichs.

Goldfarben, flächig, ornamental, sinnlich fallen uns als Attribute des Bildes ein. Die innige, fast "ewige" Verbundenheit des Liebespaares verbirgt aber nicht die kniende Untergebenheit der Frau und das Liebeserlebnis buchstäblich am Abgrund. Wie lange wird der Schmuck halten, bis er als Tand verfällt?


"Küssen ist keine Sünd, das weiß schon jedes Kind."
Der Kuss ist aber vielfältig und körperlich dichter Ausdruck des Lebens,
vom ersten Kuss der Verliebten bis zum grauenhaften Judaskuss.
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Constantin Brâncuși - Der Kuss

 

Constantin Brancusi - Der Kuss

Constantin Brancusi -
Der Kuss (1912)


Die Skulptur stellt zwei sich küssende Menschen dar, die so eng aneinander sind, dass sie zu einem kompakten Block werden. Trotzdem erkennt man noch klare Strukturen (Körperabtrennung, Arme, Haare, Augen). Wenn man genau hinguckt, erkennt man, dass die Beiden am Mund verbunden sind.
Man spürt die Nähe und die gegenseitige Beschützung dieser zwei Menschen. Man bekommt das Gefühl, dass die Beiden sich nie wieder loslassen und für immer zusammen bleiben wollen. Man erkennt auch keine Anzeichen von Bekleidung. Das führt auf Adam und Eva zurück, wo es nur die Beiden gab und niemand sonst. Mit allen Sinnen eins miteinander werden - das erste, einfachste, ehrlichste und fühlsamste Zeichen dafür ist der Kuss. Heilig und hochgehalten in höchsten Ehren, leider auch die menschliche Möglichkeit des Missbrauchs und dann verabscheuungswürdig bis zum Todeskuss.

"Obwohl ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich zuerst dachte, dass diese Skulptur ein Hintern wäre, aber beim genaueren Hinschauen ist mir sofort alles klar geworden."

Aus der Schularbeit eines Mädchens  

*   *   * 
 

Heilig war der der Kuss  für die ersten Christen als Zeichen ihrer Gemeinschaft aus dem Geist der Liebe.
 

Eng, warm, weich und feucht war der erste Kuss, heiß und kalt zugleich, unvergesslich.

Ehrlich ist der Kuss, der nicht mehr aufhören möchte, der einen aufnimmt "wie ein See der Liebe" (Shakespeare).
 

"Sie dürfen sich jetzt küssen" heißt es dann für Neuvermählte, oft vor laufender Kamera - sogar in der Kirche.

Voller Erwartung und Verpflichtung der Verlobungskuss, wie im Mittelalter bei wichtigen Verträgen üblich.
 

Der Überraschungskuss - plötzlich beim Tanzen, Lachen, Weinen - oder ein Baby "zum Fressen gern haben".

In Ehren sind das Bussi der Kinder, der Wangenkuss bei der Begrüßung und der Gutenachtkuss.
 

Beim Küssen gebraucht man beide Hände, doch leider nicht immer den Verstand.

Begehrt war der Handkuss für die Dame des Herzens, nicht so ehrlich der Handkuss für den Pfarrer.
 

Im Gottesdienst küsst der Priester den Altar, ebenso werden in der Ostkirche die Ikonen geküsst.
 

Billig ist der über die Hand zugeblasene Luftkuss, manche Küsse erwiesen sich sogar als falsch und trügerisch.

Unanständig ist der Kuss, der lediglich eine Anfrage im oberen Stock ist, ob das Parterre frei wäre.
 

Tödlich war der Judaskuss, verlogen war der Bruderkuss der Politiker im Ostblock sowie der Mafia heute.

(Bernhard Frei)


Marc Chagall, Geburtstag (1915)
 

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Chagall malte dieses Bild kurz vor seiner Hochzeit mit Bella, die er hier mit Blumen und einem Kuss besucht. Sozusagen zwischen Tisch und Bett spielt sich diese Szene des noch jungen Malers aus Weißrussland ab. 

Zunächst begeistern die kräftigen Farben und die gelungene Zeichnung, aber auch die frühe Zuwendung von Chagall zu einem ihm eigenen Empfinden und Stil, wie er sich bald in seinen Bildern ausdrücken und bis heute Menschen anziehen wird. 

Der spielerisch richtige Umgang im Aufbau, in der Zeichnung und Farbgebung fasziniert durch die große Menschlichkeit und die freie, wahrhaftige Glaubenserfahrung des Künstlers bis heute.