Ein schöner Tod - Sterben heute
Keine so große Angst mehr wie früher,
dafür das Leid des Abschiednehmens!
Die Überschrift „Tod“ zeugt schon von der inneren Einstellung des Bildes: ANGST! Der Sterbende blass wie ein Geist, passiv ausgeliefert, fast schon aufgebahrt, Sanitätsstuhl und Leibschüssel, eine lange Kerze soll seine Rettung sein.
Rund herum fremde Leute: Pfarrer und Mesner, Mönch und Nonne, der Arzt, fromme Gegenstände – ein erstarrter Ritus als letzte Ölung. Keine Verwandten, kein Mitgefühl, nur Angst vor Teufel und Hölle – Gottes Barmherzigkeit müsste man selber verdienen, erwirken, zahlen.
Der Tod kommt durch die Wand, oben am Kopfende des Bettes streiten Schutzengel und Teufel um die Seele. Alles deutet nach oben, Gebete, Kerze, Öl und Kreuz (für Ablässe...). Angst vor dem ewigen Unheil - unecht und skurril solche Religion.
Wo ein Oben, da gibt es aber auch ein Unten!
Angst vor den Letzten Dingen, vor Teufel und Hölle.
Heute: Was da im Bild geschieht und wer da ist, das gibt es nicht mehr, es ist aus dem Bild herausgefallen. Statt der Angst vor Gericht und Hölle nach dem Tod blieb aber bis heute die Angst, was vor dem Tod geschehen könnte: Schmerzen und Abhängigkeit, Verlust der Würde und Selbstbestimmung, Rücksicht und schwierige Umstände für die engsten Verwandten usw.
Heute sagen die Leute nicht mehr: „Es geht bald nach oben“, sondern „Es geht bald ins Jenseits.“ Deshalb gibt es kaum mehr Ängste vor dem, was da unten sein könnte, dafür aber viel Leid und Widerstand gegen das Loslassen, das Abschiednehmen vom Diesseits. Und wenn schon – dann sollte es schnell gehen, ein Schlaganfall im Schlafen und weg, das wäre ein schöner Tod.
Ein schöner Tod könnte es sein, wenn der Sterbende als Mensch in den Mittelpunkt rückt. Der Arzt und die Krankenschwester helfen bei Schmerzen und jeder Unpässlichkeit. Seine liebsten Verwandten sind da und halten ihm die Hand, eine wohltuende letzte Intimität umgibt ihn. Der Priester spricht ihm Trost und Segen zu, alle achten auf die notwendige Stille und Rücksicht. In Würde Abschied nehmen statt Angst. Hilfe und Begleitung auch der Angehörigen, vor allem nicht allein lassen – traurig und doch ein schöner Tod.
Die Wirklichkeit kann auch anders aussehen. Trotz ärztlicher und pflegerischer Hilfe bleiben Kranke oft allein, als Priester wusste ich, was es im Krankenhaus bedeutete, wenn gesagt wurde: „Der Kranke ist recht unruhig, er ist auf ein Zimmer allein verlegt worden…“ Wenn auch die Verwandten fehlen, stirbt dann der Mensch hygienisch und ärztlich versorgt, aber allein. Und das ist kein schöner Tod.
Für mich zum schönsten Beispiel wurde ein einfacher italienischer Maurer, den ich nach dem Tod seiner Frau besuchte. Es war Sonntagabend im Krankenhaus, Sohn und Tochter waren nach Hause gegangen. Da sagte die sterbensschwache Frau noch einmal: „Mettimi dritte le gambe, fammi ancora una volta bella (Leg mich gerade hin, mach mich noch einmal schön)." Dann saß er still bei ihr, Hand in Hand, in beredtem Schweigen. Das Atmen fiel ihr schwer (Herzprobleme) – da sagte sie ruhig: „Grazie di tutto, scusa di tutto, ci rivedremo (Danke für alles, entschuldige alles, wir werden uns wiedersehen)!“ Der Atem blieb ihr aus, sie war gestorben. Ein schöner Tod, ich bin heute noch davon bewegt.
Sterben früher und heute.
Früher starben die Menschen daheim und die eigenen Leute übernahmen die Sorge um den Verstorbenen und das Begräbnis. Das ist heute nur mehr selten möglich: die Wohnungen sind eher klein und oft im Kondominium, die Familie wird für alte Menschen meist wieder zu einer Zweierbeziehung als Ehe, es gelten nicht mehr wie früher die Erfahrungen und Kenntnisse im Umgang mit Sterben und Tod. Es sterben meist sehr alte Menschen, die sozusagen sich selbst bereits überlebt haben. Von den Jungen mit 50 haben viele noch keinen Menschen sterben sehen oder gar angerührt. Auch für Christen gilt: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und unseren Tod verschweigen wir."
Das Sterben als solches geschieht meistens im Krankenhaus oder im Altersheim, medizinisch gut versorgt, schmerzfrei und hygienisch einwandfrei. Die Mithilfe der Familie und Nachbarn ist gering, beschränkt sich auch auf einer Palliativstation meist auf begrenzte Besuche. Der Verstorbene wird bei uns auch meist sofort in die Verabschiedungskapelle (oder Kühlzelle) gebracht, so fällt auch diese Form des Abschiednehmens aus. Die Feuerbestattung und vor allem die anonyme Bestattung müssen praktisch von einem spezialisierten Bestattungs-unternehmen durchgeführt werden, der Bezug zum Friedhof und zum Grab ist nicht mehr da. Nach der Bestattung fallen deshalb Trauernde oft in ein Loch, eine Leere, eine depressive Phase.
Die Menschen früher trauerten gewiss genauso wie auch heute, aber alles um Sterben und Tod war ihnen mehr vertraut. Es geschah auch nicht allein, Familie, Öffenlichkeit und Kirche nahmen Anteil daran. In allen Völkern sind es gerade die Trauerriten und -gebräuche, die sich nur langsam veränderten und über die schwere Zeit halfen. Weil die Trauernden heute allein gelassen sind, verdrängen sie den Tod und überspielen die Zeit der Trauer. Wenn nur mehr eine Urne in der Erde bleibt, die mit einem GPS-Gerät im Ruhewald auf dem Rasen lokalisiert werden kann, ist es fast wie nichts mehr - was nachrückt, ist anonymes Verschwinden aus dem Gedächtnis und dem Bewusstsein.
Trotzdem darf man nicht vergessen, wieviel Angst um die "Letzten Vier Dinge" früher das Sterben so schwer gemacht hat. Einerseits versuchte die Kirche, durch Riten und Gebete dem Sterbenden und seinen Angehörigen Hoffnung und einen gnädigen Gott zu sichern. Andererseits predigte sie Sünde und Hölle, ihre Botschaft war voller Angst und Kleinmut. Gerade in der Zeit bis nach den beiden großen Kriegen des 20. Jahrhundert s gefror erstarrten auch die Theologie und die Liturgie. Durch die liturgische und biblische Bewegung vorbereitet, öffnete sich die Kirche im 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965), geriet aber in der Auseinander-setzung mit der allgemeinen Säkularisierung in eine neue Verteidigungsposition. Trotzdem trifft das Wort von Papst Franziskus auch auf die Kirche zu: "Ängste schließen Türen. Die Freiheit öffnet sie. Und wenn auch die Freiheit klein ist, öffnet sie immerhin ein Fensterchen." Interview in der Zeit, April 2017.
Vgl. www.helles-koepfchen.de/artikel/2845.html
Beim Sterben des liebsten Menschen dabei sein?
Das ist für Sterbende ein großer Trost, aber auch für die Trauernden eine große Hilfe in der Trauerarbeit. Manchmal stirbt jemand gerade, wenn jemand kurz weggegangen ist, die Trauer kann dann groß sein. Es ist, als ob Sterbende sich nicht zuschauen lassen oder den liebsten Angehörigen den Schmerz ersparen möchten. Manchmal entgehen sie dadurch auch dem Druck, dass sie von den Zurückbleibenden nicht losgelassen werden. Wichtig ist nicht der Augenblick, sondern die ganze Zeit der Begleitung auf das Sterben hin.
Daheim sterben dürfen -
Das müssen nicht die vier Wände des Zimmers daheim sein, wenn die Umstände oder die Pflegesituation das Krankanhaus unentbehrlich machen. Wichtig ist die Anwesenheit der engsten Angehörigen, das Mittragen und die Fürsorge, die Atmosphäre der Gemeinschaft um das Krankenbett. Wichtig ist es, mit dem Sterbenden zu sprechen, langsam und wenig, aber ehrlich und herzlich. Das Ohr und der Tastsinn sind das Letzte, was abstirbt. Deshalb im Krankenzimmer oder auch nach seinem Tod nicht über den Kranken reden, sondern immer zu ihm!
Im Augenblick des Hinscheidens -
Da steht zunächst immer groß und erhaben das Mysterium des Todes vor uns. Auf keinen Fall gleich loslegen, etwa "wem telefonieren wir zuerst, was tust jetzt du und was tu ich, was wir nicht vergessen müssen" usw. Am besten eine Stille in Gebet und Ehrfurcht, ein bekanntes Gebet (Vater unser, dazu: Herr, gib unserem N. die ewige Ruhe...). Das Kreuz auf die Stirn machen, die Hand auflegen, die Hände des Verstorbenen halten. Erst vor dem Zimmer draußen reden, was zu tun ist...
Sollen Kinder dabei bleiben, den Sterbenden besuchen?
Ganz kleine Kinder oder wenn sie es auch später absolut nicht wollen, dann nicht. Wenn der Sterbende deformiert ist (Unfall), dann auch nicht. Sonst schon, eventuell kurz mit den Eltern, etwas mitbringen (zum Festhalten!), ein paar Worte sagen. Danach unbedingt mit dem Kind reden. Kinder bis etwa 6 empfinden nur den Schmerz der Trennung, dass die Oma nicht mehr kommt. Danach ist eher das ganze Drumherum wichtig, die Beobachtung, noch kein tragisches Bewusstsein. In der Pubertät erwacht auch dieses, es gibt Aufruhr in den Gefühlen, auch Flucht und Unmöglichkeit der Annahme. Nie auf die Kinder einreden, predigen, erklären. Bilder und Symbole sind besser als erklärende Worte. Erwachsene sollen sich auch als Betroffene, als trauernde und suchende Menschen offenbaren.
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