Meister Eckehart (Eckhart)
Vorbemerkung. - So faszinierend und ergreifend die Denkweise und Botschaft von Eckehart auch ist, so gilt doch, was er im Prolog zu seinem größten geplanten Werk "Opus tripartitum" (dreigeteiltes Werk) schreibt: "Manches erscheint auf den ersten Blick monströs, zweifelhaft oder falsch." Er stellt gehobene Anforderungen an die Hörer und Leser - aber das gilt von vielen Mystikern! Auch in der Literatur finden sich eher einzelne "philosophische und theologische Brocken" oder einzelne fundamentale Erkenntnis mit den entsprechenden Zitaten aus seinen mittelalterlichen Schriften.
So muss auch ich mich beschränken auf das, was er selber als seine zwei wichtigsten Erkenntnisse nennt: "Wenn ich predige, pflege ich erstens zu sprechen: Von der Abgeschiedenheit und dass der Mensch von sich selbst und von allen Dingen frei werde. Zum zweiten von der Geburt und Zurück in das einzigartige Gut, das von Gott ist." Gemeint ist die Abgeschiedenheit (Loslösung von den Dingen der Welt) als Weg zur Gottesgeburt in der Seele.
Mein persönliches Bekenntnis zu Meister Eckehart
Die substanzielle Gegenwart Gottes als mein Seelengrund und nicht ein zeitlich geschaffenes sowie sündhaft gebrechliches Wesen - das hat sich in mir unauslöschlich tief eingeprägt.
Und gleicherweise ist die Gottheit auch "Weltfünklein" in allem, was da im ganzen Kosmos ist, über Raum und Zeit, ohne vorher, daneben und nachher. Bei vielen ähnlichen Eckehart-Bildern
Die Gottesgeburt in der Seele erschließt sich mir allerdings eher als eine Offenbarung und Erfahrung Gottes von ihm zu mir, als Begegnung und Gnade.
Dem entsprechend ist für mich die Abscheidung, das Loslassen von Fehlern und Hindernissen, weniger der Weg zu einer Leere, sondern zur Erfahrung einer "felix culpa" (glückliche Schuld), also Erlösung durch Jesus Christus.
Näher ausgeführt als Sehnsucht:
2021-03-15 Eckehart - mein Credo klick
Seelengrund und Gottesgeburt in der Seele
Der Mensch geht schwanger mit Gott, Meister Eckehart fühlt sich als Geburtshelfer, als Lebemeister und Lesemeister! Dabei startet er von einer einfachen, aber im Christentum ungewohnten Erfahrung und Erkenntnis: die Seele des Menschen ist nicht etwas Erschaffenes, sondern Gott selbst im Menschenleben. Genauer gesagt ist es der "Seelengrund" (auch "Seelenfünklein" genannt) der ungeschaffen, unveränderlich und eigenschaftslos ist (nicht "so oder so, nicht dies oder das"). Es ist vielmehr die Gottheit selbst in ihrer reinsten, obersten Form, die in diesem Kernbereich der Seele gegenwärtig ist. Gott wohnt nicht nur im Menschen, sondern er ist selbst in seinem Innersten gegenwärtig, er ist wesenhaft sein innerster reinster Seelengrund. Dies macht den höchsten Adel des Menschen aus, denn dadurch ist er selber ewig und all-eins wie Gott: ungeschaffen, weiselos und grundlos, zeit- und raumlos, namenlos, still und ein-faltig. Sogar das Dasein als besondere Bestimmtheit mit diesen oder jenen Eigenschaften scheidet aus - die Gottheit als Seelenfunke ist „ein überseiendes Sein und eine überseiende Nichtheit“. Im Seelengrund herrschen deshalb absolute Ruhe und ewige Gegenwart in einem lebendig bleibenden Leben.
Dazu bemerkt Eckehart: "Dies ist leicht einzusehen, denn dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und drum: Soll Gott je darein lugen (= an- und durchschauen), so muss es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muss er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen." Es sei hier zugegeben, dass die hohe Intellektualität dieser Anschauungen zur Diskussion führen kann, z.B. mit der Freundschafts- und Liebesmystik eines Franziskus oder einer Teresa von Ávila, mit der personalen Du-Erfahrung in der Begegnung mit Jesus Christus oder im christlichen Beten, aber auch in großer Nähe zum Buddhismus oder zu eher kirchenfreier Spiritualität und Wissenschaft.
Holzschnitt für Meister Eckehart
(zeitgenössisch)
Typisch in diesem Bild ist die Leidenschaft der Zuhörerinnen und Ohrenzeugen in diesem Bild, so wird es von ihm im Kloster und auf der Universitätskanzel, als Seelsorger für Kirchenbesucher und die damals vor allem längs der Rhein entstehenden kleinen Frauen- und Nonnengruppen berichtet. Als seine Werke von der Inquisition geächtet wurden (28 ausgesuchte Lehrsätze - ihm selbst als Person wurde die Anklage als Ketzer erlassen), wurden handschriftliche Auszüge daraus überall verbreitet, so dass sein Nachlass im Großen und Ganzen erhalten blieb.
In Eckeharts Lehre spielt eine Erfahrung die zentrale Rolle, die er Gottesgeburt in der Seele nennt. Oder Durchbruch zur Kenntnis, dass Gott selbst und wirklich im Seelengrund aller Menschen lebt. Dadurch erfährt die Seele ihre eigene Natur und erkennt, was sie ohne Eingrenzung in Raum und Zeit wirklich ist. Es geht um Sinn und Ziel der Schöpfung - um die dauernde Selbstverwirklichung und Selbstmitteilung Gottes selber. Wenn die Seele des Menschen durch Abscheiden/Loslassen von allen Hindernissen (moralischen und intellektuellen, Sünden und Dummheit, von sich selbst) vorankommt und durchbricht, ereignet sich die Gottesgeburt in seiner Seele wie eine Naturnotwendigkeit. Nicht der Glaube, die eigenen Werke oder ein Gefühl bewirken die Gottesgeburt, sondern die Freiheit von allen Hindernissen und die Kenntnis (ganzheitliche Erfahrung) der Gottesgeburt im Seelengrund. Schöpfung und Erlösung als dauernde Selbstoffenbarung Gottes im Menschen und in der Welt.
Ein wahrhaft kühner Glaubensentwurf, der selbst mit der modernen Physik von Urknall und Weltall vereinbar ist. Die Welt mit ihren Naturgesetzen könnte gesehen werden nicht als Spielmaterial eines externen Schöpfers, sondern Gott als Lebender und Wirkender in allem, was da ist und nicht Nichts ist, was da so ist und nicht anders. Vor allem aber befreit Eckehart mit diesem Christentum von übertriebenem Moralismus und Asketismus, von kg-Gnade-Mentalität und Werkgerechtigkeit, letztlich von der Angst vor einem fordernden, strengen Gott, wovon nicht nur das Mittelalter so betroffen war. Das Wort, das er als grundsätzliche Lebenshaltung eigens dafür prägte, heißt "Gelassenheit".
Ich will nichts.
Ich weiß nichts.
Ich habe nichts.
(Eckhart)
Gelassenheit
"Gelassenheit" kann als Wortschöpfung Eckeharts verstanden weerden. Er predigt keine Mystik auf dem Meditationskissen oder gar einen Rückzug ins Kloster. Er favorisiert das Handeln in der Welt - in Gelassenheit. Christine Büchner (Hamburg, zitiert nach Wikipedia) drückt dies sehr einfach und anschaulich aus:
"Es geht darum, gelassen zu werden: also alles, was ich will und wissen und haben will, erstmal sein zu lassen. Nicht meine eigenen kurzsichtigen Ziele zu verfolgen, sondern sozusagen, das Leben auf mich zukommen zu lassen. Das ähnelt ja schon dem Begriff, wie wir heutzutage Gelassensein verstehen. Also den Druck zu nehmen aus dem alltäglichen Leben. Wir sind ja alle getrieben in irgendwelchen Zwecken, wir müssen das und das oder Aufmerksamkeit erreichen. Und da erst mal zu sagen: Stopp, das muss nicht so sein. Das ist vielleicht gar nicht das Richtige. Und wenn ich so weiter mache, verfehle ich genau das Richtige."
Ja, wie das geschehen soll, da gibt uns Meister Eckhart leider nicht so richtig praktische Hinweise. Er wiederholt das tatsächlich immer wieder, dieses "lass-dich" und er sagt oft, wie es nicht geht. Ja, er sagt: Leute kommen zu mir und fragen mich, wie kann ich denn in diesen Zustand der Freiheit und Gelassenheit usw. kommen? Muss ich da vielleicht öfter in die Kirche gehen und meditieren? Und da sagt er: Nein, das musst du nicht. Du kannst genauso gut auf den Marktplatz gehen. Oder ein anderer fragt ihn: Der soundso, der ist schon ziemlich weit und der betreibt Askese usw. und Christus-Nachfolge, ich wünschte, ich könnte das auch so. Aber ich kann es nicht. Und dann sagt Meister Eckhart: "Ja, dann musst du das auch nicht, dann entspricht es dir nicht. Du musst 'deine eigene Weise' finden" – das ist ein Wort, dass er immer wieder verwendet." Bei Eckhart gibt es keinen Stillstand des einmal Erreichten, sondern immer eine Dynamik: auch der Glaube hat etwas Prozesshaftes in der Annäherung an Gott, sagt Christine Büchner. Eckharts Programm ist nicht Erbauung. Schon gar nicht geht es darum, dass der Glaube die Vernunft lassen muss. Es geht Eckhart um eine Durchlässigkeit für den Willen Gottes und um eine Praxis des Einübens in der Welt.
Sprüche von Meister Eckehart (Eckhart)
Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott;
denn, wenn der Gedanke vergeht, vergeht auch der Gott.
Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben,
der weit erhaben ist über die Gedanken der Menschen und aller Kreaturen.
Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige;
immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenübersteht;
immer ist die wichtigste Tat die Liebe.
Die Menschen sollen nicht so viel nachdenken, was sie tun sollen,
sie sollen vielmehr bedenken, was sie sind.
Gott aber, hat man ihn überhaupt, so hat man ihn allerorten;
auf der Straße und unter den Leuten so gut
wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle...
Gott ist allezeit bereit, aber wir sind sehr unbereit.
Gott ist uns nahe, aber wir sind ihm ferne.
Gott ist drinnen, wir sind draußen.
Gott ist in uns heimisch, wir sind Fremde.
Eckehart - Predigt Intravit Jesus in templum
Vom leeren Tempel der Seele
(wörtlich nach dem mittelhochdeutschen Originaltext)
Jesus war in den Tempel hineingegangen und warf hinaus, die da kauften und verkauften, und begann zu den andern zu sagen: "Tut dies weg!" Und sie taten es weg. Seht, da war niemand mehr als Jesus allein, und er begann zu sprechen in dem Tempel: "Seht, das sollt ihr fürwahr wissen: Wenn jemand anders in dem Tempel, nämlich in der Seele, reden will als Jesus allein, so schweigt Jesus, als wäre er nicht daheim. Und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus reden in der Seele, so muss sie allein sein und muss selber schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll. Ja, so geht er ein und beginnt zu sprechen.
Was spricht der Herr Jesus? Er spricht, was er ist. Was ist er denn? Er ist das Wort des Vaters. In dem selben Wort spricht der Vater aus - sich selber und die ganze göttliche Natur und alles, was Gott ist, wie er es erkennt, und er erkennt es, wie es ist. Und da er vollkommen ist in seiner Erkenntnis und in seiner Mächtigkeit, darum ist er auch vollkommen in seinem Sprechen. Wenn er das Wort spricht, da spricht er sich und alle Dinge in einer andern Person aus und gibt diesem dieselbe Natur, die er selber hat; und er spricht alle Vernunft-Geister (Seelen) in demselben Wort aus, dem selben Wort gleich...
Da nun der Vater dies gesprochen hat, was ist dann noch für Jesus zu sprechen in der Seele? Wie ich gesagt habe: Der Vater spricht das Wort und spricht in diesem Wort und anders nicht, und Jesus spricht in der Seele. Die Weise seines Sprechens ist die, dass er sich selber offenbart und alles, was der Vaer in ihm gesprochen hat, auf die Weise, wie der Geist empfänglich ist. In diesem Geist offenbart er väterliche Herrschaft in einer gleichen Gewalt ohne Maß. Wenn denn der Geist diese Gewalt empfängt, in dem Sohn und durch den Sohn, so wird er gewaltig in einem jeden Fortgang, also dass er gleich und gewaltig wird in allen Tugenden und in aller vollkommenen Lauterkeit, so dass ihn weder Liebe noch Leid noch alles, was Gott in der Zeit geschaffen hat - das vermag den Menschen nicht zu verderben, wenn er nur gewaltig stehen bleibt darinnen, wie in einer göttlichen Kraft, der gegenüber alle Dinge klein und unvermögend sind.
Nach Eduard Nagel, alles lassen - einswerden. Mystische Texte - reden der Unterscheidung und Predigten, Kösel 1992.
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